Von Caroline Taix
Ardingly (AFP) – Die unterirdische Anlage hält Überschwemmungen, Strahlung und selbst Bomben stand. Nichts soll den Schatz, der hier im südenglischen Wakehurst lagert, gefährden. Samen von mehr als 40.000 Arten wilder Pflanzen bewahrt die Millennium Seed Bank (MSB) auf. Die größte Samenbank der Welt will damit Pflanzen vor dem Aussterben bewahren.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn zwei von fünf Pflanzenarten weltweit sind von der Ausrottung bedroht. Für den Umweltaktivisten und Dokumentarfilmer David Attenborough ist die Millennium Seed Bank deshalb die “vielleicht bedeutendste Naturschutzinitiative aller Zeiten”.
“Das Ziel ist es, wilde Arten durch das Saatgut zu erhalten, um zu verhindern, dass sie langfristig aussterben”, erklärt John Dickie, der Leiter der MSB. Der 70 Jahre alte Forscher verfolgt das Projekt seit dem Start zur Jahrtausendwende. Wakehurst, knapp 60 Kilometer südlich von London, ist eine Außenstelle des berühmten botanischen Gartens Kew Gardens in der britischen Hauptstadt.
Bei minus 20 Grad sind dort 2,5 Milliarden Samen aller Farben, Formen und Größen aus 190 Ländern gelagert. Damit sind fast 20 Prozent der weltweiten Flora in der Samenbank vertreten. Der Schwerpunkt liegt auf Pflanzen, die vor allem durch den Klimawandel bedroht sind, aber auch endemischen Pflanzen, die nur in einer bestimmten Gegend wachsen. Wichtig sind den Wissenschaftern auch Samen von medizinisch oder wirtschaftlich bedeutenden Arten.
“Pflanzenarten sind aus mehreren Gründen bedroht, vor allem durch die Landwirtschaft und zunehmend auch durch den Klimawandel”, sagt Dickie. “Einige Pflanzen werden sich anpassen, andere nicht. Die sind dann zumindest noch hier, statt dass es sie gar nicht mehr gibt.”
Jede Woche treffen in Wakehurst neue Samen aus allen Erdregionen ein. Dann beginnt der Prozess der Rettung. “Die Konservierung basiert auf der Technologie, die bereits für Nutzpflanzenarten verwendet wird”, erklärt der Wissenschaftler. “Das ist keine Raketenwissenschaft: Trocknen, säubern und einfrieren.” Danach können sie jahrzehntelang, wahrscheinlich sogar jahrhundertelang, gelagert werden.
Knapp 20 Forscher sowie Freiwillige kümmern sich um die Samen. Wer will, kann ihnen durch die Glasfassade bei der Arbeit im Labor zusehen.
Lucy Taylor ist gerade mit Baum-Samen aus Madagaskar beschäftigt: Albizia polyphylla. “Madagaskar ist ein sehr interessanter Ort für Biologen, weil es auf der Insel eine einzigartige Flora gibt”, sagt Taylor. Sie sortiert die Samenhülsen. “Viele sind leer oder von Insekten oder Krankheiten befallen. Wir wollen in der Sammlung die bestmögliche Qualität und außerdem ist der Platz begrenzt”, erklärt die Forscherin. Um Krankheitsbefall festzustellen, werden die Samen geröntgt.
Die sortierten Samen kommen in ein Glas, versehen mit Namen, Herkunftsland und Eingangsdatum. In Kälteanzügen wie Polarforscher bringen die Wissenschaftler sie in den eisigen Tresorraum.
Die größte Sammlung von Samen ist die aus der Familie der Orchideen. Aber auch sehr seltene Pflanzen sind vertreten, wie die kleinste Seerose der Welt oder die Antarktische Schmiele, eine der zwei heimischen Blühpflanzen am Südpol.
Die Samenbank finanziert sich durch öffentliche Gelder und Spenden und hat Partnerschaften mit 90 Ländern. Manche Staaten, wie zum Beispiel Indonesien, weigern sich allerdings, ihre Samen mit der MSB zu teilen und lagern sie lieber auf ihrem Territorium. Andere kooperieren gar nicht mit den britischen Biologen. Im Fall des Irans bedauert Dickie das ganz besonders.