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Der Twitter-Herrscher und die Redefreiheit

Bild: Alexander Shatov auf Unsplash

Elon Musk löst mit Sperrung von Journalisten-Accounts Sturm der Empörung aus

Von Fabian Erik Schlüter

Washington (AFP) – Elon Musk gibt sich gerne als Vorreiter im Kampf für die Redefreiheit. Den schlagzeilenträchtigen Kauf von Twitter hatte der Multimilliardär unter anderem damit begründet, dass angebliche Zensur auf der Plattform beendet werden müsse. Jetzt sind unter Musks Führung die Nutzerkonten von mehreren US-Journalisten gesperrt worden, die kritisch über Twitter und dessen Chef berichtet hatten. Die Empörung ist groß – und die Fragen nach der Zukunft der Kurzbotschaftendienstes wachsen.

Musk selbst schienen nach den umstrittenen Account-Sperrungen keine Zweifel zu kommen. “Sie haben meinen exakten Echtzeit-Standort veröffentlicht, letztlich Ermordungs-Koordinaten in einem (offensichtlichen) direkten Verstoß gegen die Twitter-Nutzerregeln”, schrieb der derzeit zweitreichste Mensch der Welt mit seiner Vorliebe für dramatische Formulierungen.

Der Hintergrund: Twitter hatte kürzlich das Nutzerkonto @ElonJet gesperrt, auf dem ein junger Student auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten die Flüge von Musks Privatjet dokumentiert hatte. Dabei hatte Musk noch Anfang November beteuert: “Mein Engagement für die Redefreiheit geht sogar so weit, dass ich nicht den Account verbanne, der mein Flugzeug verfolgt, obwohl das ein direktes Risiko für meine persönliche Sicherheit darstellt.”

Musk vollzog dann diese Woche eine Kehrtwende, Twitter aktualisierte sogar seine Regeln, um klarzustellen, dass auf der Plattform keine Live-Standorte veröffentlicht werden dürfen. Der 51-Jährige beschuldigt die jetzt gesperrten Journalisten, die über @ElonJet berichtet hatten, ebenfalls seinen Standort veröffentlicht zu haben und seine “Familie zu gefährden” – obwohl es darauf gar keine Hinweise gibt.

Es ist ein weitere Eskalation des Chaos, das auf den spektakulären Kauf von Twitter Ende Oktober folgte. Musk sorgt seit dem 44-Milliarden-Dollar-Deal fast täglich für Schlagzeilen, Kritiker werfen ihm ein erratisches und unberechenbares Vorgehen vor.

Musk entließ erst das Spitzenmanagement von Twitter und dann rund die Hälfte der Belegschaft. Er schaltete das gesperrte Nutzerkonto des früheren US-Präsidenten Donald Trump wieder frei. Er führte ein neues Bezahlangebot für verifizierte Nutzerkonten ein, das er nach einer Flut falscher Konten wieder stoppen musste. Er verbreitete eine düstere Verschwörungstheorie zu dem brutalen Angriff auf den Ehemann der US-Demokratin Nancy Pelosi – und attackierte später den renommierten Corona-Experten Anthony Fauci, der seit langem vom rechten Lager angefeindet wird.

Mit der Sperrung von Journalisten-Konten ist der Chef des Elektroautobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX jetzt noch einen Schritt weitergegangen. Der Vorgang macht deutlich, wieviel Macht ein schwerreicher Unternehmer hat, der sich eine der wichtigsten Kommunikationsplattformen der Welt einverleibt.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen bezeichnete Musks Vorgehen an der Spitze von Twitter als “Katastrophe für das Informationsrecht” und warnte vor einer “großen Gefahr für die Demokratie”. In Berlin mahnte das Auswärtige Amt: “Pressefreiheit darf nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden.” Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner erklärte, sollte sich die “Entwicklung” fortsetzen, werde er Twitter verlassen.

Büchner ist längst nicht der Erste, der sich die Frage nach einem Abgang von Twitter stellt. Insbesondere in den USA hadern immer mehr Menschen mit dem Kurs der Plattform unter ihrem neuen Besitzer, zumal dieser zunehmend mit rechten Äußerungen und Angriffen gegen die politische Linke für Irritationen sorgt. Viele befürchten, dass Hassbotschaften, Falschinformationen, Verschwörungstheorien und rechtsextreme Inhalte sich unkontrolliert auf Twitter verbreiten könnten.

Alternativen wie Mastodon haben noch nicht die Größe von Twitter – das könnte sich aber ändern, wenn ein Exodus von der Plattform mit dem blauen Vogel einsetzt. “Es wird nicht ein katastrophales Ereignis geben, das Twitter ein Ende bereitet”, prophezeit die Analystin Jasmine Enberg. “Stattdessen werden Nutzer im nächsten Jahr beginnen, die Plattform zu verlassen, weil sie immer frustrierter mit technischen Problemen und der Verbreitung von hasserfüllten und fragwürdigen Inhalten sein werden.”

Der von Fans als Genie verehrte Technologie-Unternehmer Musk könnte dann bald vor einem sehr teuren Scherbenhaufen stehen.

Aktualisierung vom 18.12.22, 18:55 h:
Inzwischen hat Twitter einige, aber nicht alle der gesperrten Journalisten-Konten wieder freigeschaltet.


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