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Compliance und Nachhaltigkeit

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Wege zum systematischen Compliance- und Nachhaltigkeitssystem

Compliance und Nachhaltigkeit – zwei Worte, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. So ist es gelebte Praxis in den Unternehmen. Compliance ist aktuell in den Rechtsabteilungen verortet, Nachhaltigkeit trifft man bei der Unternehmenskommunikation / dem Marketing an. Compliance und Nachhaltigkeit – zwei Worte, an sich unscheinbar, aber erklärungsbedürftig –   können für ein Unternehmen weitreichende Folgen haben – und üben letztendlich ebenso Einfluss auf die Nationalökonomie aus wie auf die Weltwirtschaft.

Von Hartmut Frenzel

Ein Blick in deutsche Unternehmen zeigt ein sehr unterschiedliches Bewusstsein beim Umgang mit den Themen, sowohl bei Compliance wie auch bei Nachhaltigkeit, sowohl beim Denken, Fühlen und Wollen der Handelnden. Dabei muss der kleine Handwerksbetrieb nicht weniger gut aufgestellt sein als der international agierende Großkonzern, die Bank nicht wirkungsvoller agieren als der Malerbetrieb um die Ecke.

Zunächst sollen die beiden Begriffe Compliance und Nachhaltigkeit erklärt werden.

Dr. Hartmut Frenzel (Foto: Susanne Gundrum-Jacobi)

Drei Aspekte von Compliance

Compliance beschäftigt sich mit der rechtlich ordnungsgemäßen systematischen Organisation eines Unternehmens, d. h. die Unternehmensleitung hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und auf deren Beachtung durch das Unternehmen hinzuwirken. Fragestellungen sind: Welches Tun oder Unterlassen ist rechtlich zulässig?

Neben dem aktuellen Rechtsstand – konkretisiert in Gesetzen, Verordnungen, Verfügungen, Anordnungen, Genehmigungen – sind im Compliancemanagement unternehmenseigene Regeln und Richtlinie und ebenso Vereinbarungen mit Dritten, wie zum Beispiel Verträge mit Lieferanten und Kunden, bindend zu berücksichtigen.

Compliance setzt aber nicht nur Ziele, sondern bietet – zweitens – ebenso Transparenz: wann, unter welchen Voraussetzungen bei Verstößen Sanktionen in einem definierten Umfang zu erwarten sein werden.

Ein dritter Aspekt von Compliance sind die regelmäßige stattfindende (anlasslose) Prüfung sowie die anlassbezogene Kontrolle zu nennen. Ziel dieser internen Audits ist es, Abweichungen zum frühesten Zeitpunkt zu identifizieren, um schnelle Gegenmaßnahmen einleiten zu können – bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Aufbau eines Compliance-Systems

Das Ziel ist die Schaffung von betrieblichen oder externen Compliance-Einheiten zur Minimierung von Haftungsrisiken der Leitungsorgane. Häufig bestimmt die Angst vor Haftung in den Unternehmen den Umfang der Compliance-Aktivitäten.

  1. Schritt: Klarheit

In diesem Schritt muss Klarheit erreicht werden. Ein Compliance-System wird nicht von heute auf morgen aufgebaut. Daher ist es wichtig zu klären, für welche Unternehmensbestandteile das System etabliert werden soll. Zudem ist zu klären, mit welchem Bereich man beginnen will. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel bereits über ein funktionierendes Umweltmanagementsystem verfügt, bietet es sich an, auf dem vorhandenen System aufzubauen, dieses zu optimieren und beispielsweise den Arbeitsschutz zu ergänzen.

  1. Schritt: Arbeitsorganisation

In diesem Schritt legt das Unternehmen eine sinnvolle und das heißt vor allem effiziente Arbeitsarchitektur fest: Wer übernimmt in dem Prozess was? Wichtig ist es, Führungskräfte ins Boot zu holen und zur aktiven Mitwirkung zu verpflichten. Zudem sind in vielen Rechtsbereichen Beauftragte (Abfall, Gefahrgut, Gewässerschutz …) rechtlich vorgeschrieben oder freiwillig vorhanden. Unabdingbar sind auch diese Personen mit ihrem Fachwissen einzubinden.3. Schritt: Sammlung

Es sind sämtliche gesetzlichen Bestimmungen und die bindenden Verpflichtungen für den in Schritt 1 bestimmten Standort und den definierten Bereich zu erfassen. Dabei muss sich insbesondere das international agierende Unternehmen zunächst Gedanken machen, was in seinem Staat rechtlich geboten und verboten ist. Gleichwohl muss es aber auch einen Blick auf das europäische Rechtssystem sowie auf das Rechtssystem der Staaten werfen, aus denen es seine Lieferungen importiert und in die es seine Waren und Dienstleistungen exportiert. Neben Rechtsvorschriften müssen ebenfalls andere Vorgaben erfasst werden, wie in Genehmigungsbescheiden festgelegte Anforderungen, Zulassungen oder andere Arten von Erlaubnissen, Weisungen, Regeln oder Anleitungen von Aufsichtsbehörden. Daneben gilt es die aktuelle Rechtsprechung einzubinden. Das Ergebnis der Sammlung ist ein nach Rechtsgebieten strukturiertes Rechtsregister.

  1. Schritt: Übertragung von Aufgaben

In diesem Schritt erfolgt die Aufbereitung der Kernaussagen der gesammelten maßgeblichen Rechtspflichten sowie eine Erläuterung der zu beachtenden Pflichten in einer für Nichtjuristen verständlichen Weise. Darauf folgt die Festlegung der Verantwortung mit klaren Vorgaben. Ergänzend sind den Beschäftigten die benötigten Kompetenzen zu vermitteln.

  1. Schritt: Funktionskontrolle des Systems

In diesem Schritt geht es um die Prüfung der Funktionsfähigkeit des Systems. Dazu erfolgt in regelmäßigen Abständen die Kontrolle auf Einhaltung der ermittelten Pflichten. Dieses ist zu dokumentieren. Ziel soll sein: Verbesserung der Abläufe, Erfassung der Fehler, systematische Analyse der Fehlerursache, …

Es ist für jedes Unternehmen eine Mammutaufgabe, die sehr systematisch geplant, umgesetzt und kontrolliert werden muss.

Nachhaltigkeit als Zukunftsgestaltung

Nachhaltigkeit zielt grundsätzlich in eine andere Richtung. Hier ist nicht Angst der Treiber. Nachhaltigkeit will die bewusste Gestaltung und Nutzenmaximierung für die heutige Generation – ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Nachhaltigkeit basiert auf übergeordneten Werten und hohen ethischen Maßstäben.

Inzwischen erkennen immer mehr Unternehmer den eigenen wirtschaftlichen Nutzen von Nachhaltigkeit, sie ist für viele Unternehmer ein Instrument zur Marktdifferenzierung geworden. Es wird seitens der Unternehmen ein Diskurs mit relevanten Anspruchsgruppen (auch: Stakeholder) geführt. So kann man sich schon früh auf Kursänderungen vorbereiten, bei positiven Entwicklungen genauso wie bei drohenden Restriktionen. Wissen wird so zum strategischen Wettbewerbsvorteil.

In vielen Unternehmen wird ein Nachhaltigkeitsbeauftragter installiert, der allerdings häufig keine Chance hat, aktiv wirken zu können. Er wird in der Kommunikationsabteilung angesiedelt. Es bleibt beim Silodenken. Der Nachhaltigkeitsbeauftragte ist für Führungskräfte häufig Störer und wird nicht aktiv in relevante Prozesse eingebunden.

Aufbau eines Nachhaltigkeitssystems

Um unternehmerische Nachhaltigkeit erfolgreich und damit unternehmerisch wirksam zu leben, muss der Geschäftsführung und deren Führungskräften eines von Anbeginn an sehr klar sein: Nachhaltigkeit ist ebenso wie Compliance viel Arbeit! Wer meint, erkannt zu haben, dass ihm eine ressourcenschonende Produktion, der wertschätzende Umgang mit Mitarbeitenden und optimierte Prozesse einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, und dann denkt, dass dies mit zwei bis drei Workshops, dem Installieren von einem Nachhaltigkeitsteam, ein wenig Dokumentation und der Nachhaltigkeitsberichterstattung getan sei, der irrt.

So einfach sind solch ein zukunftsfähiges Wirtschaften und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil nicht zu haben! Unternehmen, die eine Nachhaltigkeitskultur dauerhaft etabliert haben, sind immer noch sehr dünn gesät. Und die, die so etwas bereits umgesetzt haben, berichten von einem steinigen Weg dorthin.

  1. Schritt: Eigene Klarheit

Ein Unternehmer sollte nur aus einer intrinsischen Motivation heraus zu einer Nachhaltigkeitsreise aufbrechen, wenn er wirklich etwas verändern will. In diesem Schritt sollte Klarheit erlangt werden: Was konkret verspreche ich mir von dem nachhaltigen Umbau meines Unternehmens, wo kann ich welche Effekte erzielen? Schon früh sollte man auch definieren, wofür das eigene Unternehmen verantwortlich ist: Wo sind die Grenzen des Unternehmens; wer sind eigentlich die Anspruchsgruppen? Vergessen Sie nicht, den Aufwand versus Nutzen Unternehmen / Gesellschaft zu prüfen.

  1. Schritt: Arbeitsorganisation

In diesem Schritt legt der Unternehmer eine sinnvolle – und das heißt vor allem effiziente Arbeitsorganisation – fest: Wer macht was? Eine Empfehlung direkt an dieser Stelle: Es ist nicht sinnvoll, irgendjemanden aus dem Unternehmen auszuwählen, der keine herausragende Person im Unternehmen ist, der keine Weisungsbefugnis hat. Zudem muss auch diese Person für das Thema Nachhaltigkeit brennen. Der schnelle Weg – das Abwälzen auf Umwelt- und Qualitätsbeauftragte – ist in der Regel nicht wirksam und meistens teuer. Trotzdem darf der „Mensch an der Maschine“ nicht vergessen werden – er wird wichtige Impulse liefern.

  1. Schritt: Handlungsfelder

Ein Nachhaltigkeitskernteam widmet sich der Identifikation der entscheidenden Handlungsfelder, die für die diskutierten Effekte (Schritt 1) und die dort skizzierten unternehmensrelevanten Nachhaltigkeitsaspekte die maximale Hebelkraft besitzen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex kennt 20 unterschiedliche Kriterien mit jeweils zugeordneten Aspekten und Leistungsindikatoren und sollte als Hilfe genutzt werden. Zur Inspiration sei an dieser Stelle empfohlen, sich mit anderen nachhaltigen Unternehmen zu beschäftigen, so auch mit den Pionieren der Nachhaltigkeit – 12 Porträts von nachhaltig agierenden Unternehmen (siehe Heisterkamp 2009).

  1. Schritt: Zielfindung

Kleine schlagkräftige Arbeitsgruppen klären mit Prozessverantwortlichen für jedes identifizierte Handlungsfeld, was konkret erreicht werden soll. Die Zielfindung klärt die Frage nach dem gewünschten Endzustand.

  1. Schritt: Vorgehensplanung

Es folgt ein Brainstorming mit einem jeweiligem „Anriss“ unterschiedliche Vorgehensweisen. Das Ergebnis sind Routenpläne, die mögliche Wege vom Ist-Zustand zum Ziel beschreiben.

  1. Schritt: Aktivitätenplan

Die jeweiligen Prozessverantwortlichen analysieren die möglichen Zielfindungen und Vorgehensplanungen und erarbeiten einen exakten Aktivitätenplan. In dem Papier ist festgelegt, was an Ressourcen gebraucht wird und wie was getan werden muss. Die Aktivitätenpläne werden mit dem Nachhaltigkeitskernteam diskutiert und abgestimmt.

  1. Schritt: Begleitung der Umsetzung

Im Nachhaltigkeitskernteam werden Vereinbarungen zur Umsetzung der Aktivitätenpläne getroffen. Dabei werden die einzelnen Manager Rollen in den Bereichen der Kontrolle und des Fortschrittsmanagements übernehmen (Patenschaften). In den Sitzungen des Nachhaltigkeitskernteams erfolgen sowohl die Reflexion von Status und Fortschritt als auch der Beschluss weiterer Maßnahmen.

Ein wunderbarer Nebeneffekt: Parallel mit der Umsetzung entsteht nach und nach ein Nachhaltigkeitsbericht nach DNK-Standard.

Ein unabdingbarer Baustein

Compliance und Nachhaltigkeit basieren auf unterschiedlichen Voraussetzungen. Compliance ist aber ein unabdingbarer Baustein der Nachhaltigkeitsbestrebungen eines Unternehmens. Das zeigt sich auch beim Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Compliance ist dort Baustein 20: „Rechtswidriges Verhalten und Korruption ist nicht nur strafbar, sondern schadet auch der Unternehmenskultur, der Reputation und den Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens. Um Korruption zu verhindern, bedarf es klarer Richtlinien und deren Überprüfung. Gerade in Märkten, in denen Korruption stark vertreten ist, müssen Unternehmen die potenziellen Konflikte analysieren und Mitarbeitende sensibilisieren. Dazu braucht es eine feste Verankerung des Themas in der Führungskultur. Interne Prozesse, die gesetzes- und richtlinienkonformes Verhalten der eigenen Mitarbeitenden und auch der Geschäftspartnerinnen und -partner sicherstellen, können unternehmerische Risiken minimieren und die Zusammenarbeit verbessern.“

Auch wenn es ein langer Weg sein wird zu einem systematischen Compliance- und Nachhaltigkeitssystem. Es lohnt sich zu starten. Verzweifeln Sie nicht an der Aufgabe. Falls doch, dann denken Sie an das Geheimnis, dass Beppo der Straßenkehrer seiner Freundin Momo verraten hat.

Dr. Hartmut Frenzel
studierte Elektrotechnik, Sicherheitstechnik und Jura, arbeitet als Unternehmensberater und lebt in Wuppertal.
[email protected]

Literatur

Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (Hg.) (2019): Deutscher Corporate Governance Kodex. (in der Fassung vom 16. Dezember 2019 mit Beschlüssen aus der Plenarsitzung vom 16. Dezember). c/o Deutsches Aktieninstitut e.V. Online verfügbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/191216_Deutscher_Corporate_Governance_Kodex.pdf, zuletzt aktualisiert am 16.12.2019, zuletzt geprüft am 14.03.2021.

Ende, Michael (1973): Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Ein Märchen-Roman.

Heisterkamp, Jens (Hg.) (2009): Kapital = Geist. Pioniere der Nachhaltigkeit: Anthroposophie in Unternehmen; zwölf Porträts. Frankfurt am Main: Info3-Verlagsgesellschaft. Inhaltsverzeichnis online verfügbar unter http://d-nb.info/995735530/04.

Kleinfeld, Annette; Martens, Annika (Hg.) (2018): CSR und Compliance. Synergien nutzen durch ein integriertes Management. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg (Management-Reihe Corporate Social Responsibility).

Kolbusa, Matthias (2017): Kolbusas Werteetablierung im Überblick. Ein konsequenter Ansatz in sieben Schritten. Online verfügbar unter https://kolbusa.de/kolbusas-werteetablierung-im-ueberblick-ein-konsequenter-ansatz-in-sieben-schritten/, zuletzt geprüft am 13.03.2021.

Rat für Nachhaltige Entwicklung c/o Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ GmbH) (Hg.) (2020): DNK-Leitfaden 2020. Orientierungshilfe für Einsteiger. Unter Mitarbeit von Alexander Bassen. Online verfügbar unter https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Sustainability-Code/Leitfaden-zum-Deutschen-Nachhaltigkeitskodex.aspx, zuletzt geprüft am 13.03.2021.

Weber, Klaus (2020): Rechtswörterbuch. Unter Mitarbeit von Thomas Aichberger, Gunnar Cassardt, Julian Fuchs, Gunnar Groh, Michael Hakenberg, Ulf Kortstock et al. 25. Aufl. München: C.H. Beck.

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