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Regional und digital: Münchener Unternehmen engagieren sich für ihre Stadt

Matthias Winter, Stadt München (CSR NEWS)

Die CSR NEWS-Videoreportage

München (csr-news) – Etwa 1,5 Millionen Menschen leben in der bayerischen Landeshauptstadt München. In der Metropole finden sich die Dependancen zahlreicher internationaler Konzerne und deutscher DAX-Unternehmen. Insbesondere Technologie- und Medienunternehmen hat München angezogen. Die Stadt mit ihren vielen klassizistischen Prachtbauten steht einerseits für großen Wohlstand – und beheimatet andererseits bittere Armut. Das wird besonders deutlich an den Ausgabestellen der Münchner Tafel. Und hier beginnen wir unsere Recherche zum gesellschaftlichen Engagement der Münchener Wirtschaft.


Sehen Sie hier den ganzen Beitrag “Regional und engagiert” (27 Minuten)

Die Münchner Tafel verteilt Lebensmittel an Bedürftige. In der Regel sind es Unternehmen, die diese Lebensmittel zur Verfügung stellen. Und Mitarbeiter aus Unternehmen unterstützen die Arbeit der Organisation als sogenannte „Corporate Volunteers“.

Birgit Schuster-Fuchs arbeitet seit vier Jahren bei der Münchner Tafel und koordiniert die Einsätze dieser Unternehmens-Ehrenamtlichen. Anfangs seien es vor allem amerikanische Konzerne gewesen, die sich für die Tafel engagiert hätten.

„Aber jetzt nach vier Jahren kann ich sagen, dass es sehr viele auch mittelständische Unternehmen sind, hier in München vor Ort. Und ganz spannend finde ich, dass ich immer an den Adressen der Unternehmen sehen kann, wie gut sich das herumspricht.“

Häufig kämen etwa aus einem Bürohaus schnell weitere Unternehmen hinzu, wenn eine Firma mit der Tafel kooperiert. In den Unternehmen geht die Initiative für ein solches Engagement teilweise von den Chefs, teilweise aber auch von den Mitarbeitern aus.

„Die Grundidee ist meistens, dass sie mitarbeiten wollen, mal einen Tag bei uns mithelfen wollen. Das ermöglichen wir denen dann auch, dann dürfen sie einen Tag an einer Ausgabestelle mit unserem Team mit anpacken.“


Das ganze Interview mit Birgit Schuster-Fuchs (Münchner Tafel)

Aus diesen ersten Begegnungen entsteht häufig ein längerfristiges Engagement mit Geld- oder Lebensmittel-Spenden und Corporate Volunteering. Manche Firmen engagieren sich einmal im Monat, andere einmal im Quartal. 1.400 Volunteers waren im Jahr 2020 bei der Münchner Tafel im Einsatz, und dazu noch 800 sogenannte Corona-Helfer, die durch Kurzarbeit Zeit für dieses Engagement hatten.

Für die Unternehmensmitarbeiter bietet der Einsatz bei der Tafel tiefgehende Erfahrungen.

„Egal wie das Wetter ist, ob es regnet oder schneit, die Leute sind dann dabei und sind voll committet. Und nach einem solchen Tag, wenn man dann ein bisschen fragt: ‚Und, wie war es für Dich?‘ Dann erzählen viele: ‚Du, das war der schönste Tag seit langem, den ich erleben durfte‘. Weil es einfach so einen tiefen, tiefen Eindruck hinterlässt.“

Der Bedarf an Lebensmittelspenden ist während der Corona-Pandemie nicht zurückgegangen, im Gegenteil: Da baue sich eine Welle auf, die Zahl der Bedürftigen steigt deutlich.

„Wir haben jetzt schon die Situation, dass wir an allen Ausgabestellen lange Wartelisten teilweise haben, dass man eben länger warten muss, bis man bei uns überhaupt einen Platz bekommt, um dann als Bedürftiger zu einer Ausgabestelle hinkommen zu können. Und diese Wartelisten werden sich jetzt sicher sukzessive weiter füllen.“

Regelmäßig begegnen die Mitarbeiter der Tafel Altersarmut und Einsamkeit. Zu befürchten sei, dass die Corona-Pandemie diese Probleme verschärft habe.

Amazon: Frisches Obst für die Münchner Tafel

Amazon ist ein Unternehmen, dass sich seit vielen Jahren für die Münchner Tafel engagiert – etwa mit regelmäßigen Lebensmittelspenden. Der US-amerikanische Konzern hat seinen deutschen Hauptsitz in München. Dort verantwortet Ole Wulff das Programm „Amazon gemeinsam“. Produkte, die über „Amazon Fresh“ nicht verkauft werden können, finden bei der Münchner Tafel dankbare Abnehmer. Und Amazon-Mitarbeiter unterstützen den Transport und die Verteilung dieser Lebensmittel.


Das ganze Interview mit Ole Wulff (Amazon)

„Heute sind wir hier, um eine große Obstspende zu übergeben. Auch das machen wir seit vielen Jahren, einfach weil die Tafel dann im Winter Mangel hat an Obst für ihre Tafel-Gäste, das zukaufen müssen und das unterstützen wir mit einer Spende.“

Die Impulse für das Engagement bei der Tafel geht dabei oftmals von den Mitarbeitern selber aus. Das Team von „Amazon gemeinsam“ unterstützt dieses Engagement mit der Koordination größerer Einsätze.

„Wir versuchen das zu koordinieren, wir versuchen das zu verstärken, diese Motivation wachsen zu lassen. Wir haben beispielsweise keine Deckelung für die Zeit, die Freiwillige, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für solche Arbeit leisten können.“

Schwerpunkte des gesellschaftlichen Engagements von Amazon liegen in zwei Bereichen: Zum einen in der Bildung, wo mit der Initiative „digital engagiert“ digitale Bildungsprojekte unterstützt werden.

„Und der zweite Bereich ist, dass wir dort unterstützen wollen, wo unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben und arbeiten, beispielsweise hier in München. Und da wollen wir einfach unterstützen … beispielsweise in den Bereichen, wo Unterstützung am dringendsten benötigt ist. Und da arbeiten wir mit Kommunen zusammen und mit Partnern wie der Münchner Tafel, um zu erfahren, wie wir am besten unterstützen können“.

Münchens Sozialreferat „weiß, wo der Schuh drückt“

Die Kommune – also die Stadt München – bietet in ihrem Sozialreferat den Engagement-interessierten Unternehmen Ansprechpartner. Matthias Winter leitet die Bereiche Unternehmens- und Bürgerschaftliches Engagement. Dort werden Bedarfssituationen analysiert, Firmen zu Engagement-Möglichkeiten beraten und Projekte mit Unternehmen entwickelt. Ausgangspunkt für den Aufbau dieser Stelle war die Erfahrung, dass sich Unternehmen engagieren wollten – aber nicht genau wussten wo.


Das ganze Interview mit Matthias Winter (Stadt München)

„Wir wissen als Landeshauptstadt München, wo der Schuh drückt. Wir haben Menschen in dieser Stadt, die eine Wohnung suchen. Wir haben Menschen, die nicht genug Geld haben und Schuldner- und Insolvenzberatung in Anspruch nehmen. Wir haben Kinder und Jugendliche, die betreut werden müssen. Wir haben eine ganz große Aufgabe in dieser Stadt. Denn München ist zwar eine reiche Stadt, aber nicht jeder kann an diesem Reichtum partizipieren.“

Das Sozialreferat bringt Unternehmen mit Engagement-Möglichkeiten zusammen und verbindet engagierte Unternehmen miteinander -vom Blumenladen an der Ecke bis zum internationalen Konzern. Denn in diesem Austausch werden neue Ideen generiert und manches Problem lässt sich gemeinsam besser adressieren.

Viele Unternehmen wollen sich langfristig engagieren. Dabei geht es Winter darum, dass sie ihre besonderen Kompetenzen in ihr Engagement einbringen.

„Unternehmen haben ganz besondere Kompetenzen. Denken Sie beispielsweise an Bewerbertrainings. Dann kommt ein Unternehmen zu uns und sagt: Wir möchten uns gerne gesellschaftlich engagieren. Und dann sagen wir: Ja, hier gibt es junge Menschen, die jetzt zur Ausbildung gehen wollen, aber sie wissen nicht genau, was sie tun sollen. Und dann bringen wir die zusammen. Und auf einmal gibt es: ‚Wie schreibe ich eine Bewerbung?‘ Selbst Schminkkurse werden dann angeboten. Und dann gibt es die Professionalität aus der Personalabteilung eines Unternehmens, die sagen: Jetzt setzen wir uns zusammen und schreiben mal ein Anschreiben.“

Die Stadt nimmt Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr. An vielen Bedürfnissen der Menschen sind gesellschaftliche Gruppen – Vereine und NGOs – aber näher dran. Im gemeinsamen Engagement von Unternehmen und NGOs liegt deshalb eine besondere Chance. Dabei sollten Unternehmen aber nicht nur mit den großen und bekannten Organisationen kooperieren, sondern auch mit den kleinen, die manchmal nicht so professionell in ihrer Selbstvermarktung seien.

„Da sind Unternehmen auch gefordert zu verstehen, das NGOs nicht die großen Eigenvermarkter sind, nicht vielleicht gleich auf den Punkt formulieren können, wo die Hilfe brauchen. Insofern ist es auch wichtig, dass man hier von Seiten der Unternehmen weiß: Wir gehen mal mit einem wachsamen Auge und einem großen Herzen auch auf kleine gemeinnützige Organisationen zu und überlegen: Was kann man gemeinsam gestalten?“

Tatendrang fördert gegenseitiges Verständnis

Potentiale und Themen kleinerer NGOs sind in der Agentur Tatendrang bekannt. Eine wichtige Säule der Agenturarbeit bildet die Förderung von Unternehmensengagement. Renate Volk aus der Tatendrang-Leitung weiß um die Herausforderungen, die sich NGOs in der Kooperation mit Unternehmen stellen.


Das ganze Interview mit Renate Volk (Tatendrang)

„Die NGOs die brauchen definitiv auch eine gute Unterstützung für Firmenengagement. Da ist oft noch eine große Zurückhaltung oder auch ein Befremden. Man ist ja Sozialpädagogin oder -pädagoge geworden, nicht weil man denkt, man möchte jetzt gerne mit Unternehmen zusammenarbeiten, sondern aus einem anderen Hintergrund. Und da machen wir gerne auch mal Workshops. Wir erzählen, was es bringt, mit einem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Wir erzählen, welche Formate möglich sind und welche Ideen man haben könnte. Und wir begleiten auch Schritt für Schritt bei der Umsetzung von Corporate Volunteering-Aktionen.“

Tatendrang fördert bei Mitarbeitern aus Unternehmen und NGOs das Verständnis für die jeweils andere Arbeitssituation. Unternehmensmitarbeiter brauchen die Bereitschaft, sich auf die Situation in gemeinnützigen Organisationen einzulassen. Und andererseits müssen Sozialpädagogen einer Unternehmenskultur entsprechend zum Beispiel zeitnah Rückmeldungen geben, sagt Volk.

Eine Herausforderung in der Arbeit von Tatendrang ist, dass Engagement-Ideen der Unternehmen auf der einen und Bedarfe der Gesellschaft auf der anderen Seite oft nicht übereinstimmen.

„Unternehmen haben manchmal oder auch öfters die Idee, sie könnten etwa handwerklich machen oder mit anpacken. Also da ist das Bedürfnis sehr groß nach diesen Hands-On-Projekten. Aber wir merken bei den Einrichtungen, dass da oft noch andere Bedarfe da sind und deshalb treten wir in den Dialog.“

Kernziele des Unternehmens und Bedarfe der Unternehmensmitarbeiter werden im Beratungsprozess mit denen der NGOs abgeglichen, es werden Kompromisse gefunden und Projekte entwickelt.

Was aber kann ein Corporate Volunteering bewirken?

„Im Unternehmen merken wir oft, dass die Mitarbeiter danach sehr beseelt sind von dieser Erfahrung, dass sie dankbar auch an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Dass sie sich anders erlebt haben, dass sie das sehr schätzen, dass ein Unternehmen -ihr Unternehmen, in dem sie arbeiten – auch einen gesellschaftlichen Unterschied macht. Es fördert einfach die Motivationen, auch den Teamgeist im Unternehmen.“

Für die Gemeinnützigen zählt, dass Aufgaben erledigt werden, die sie alleine nicht bewältigen konnten. Das Commitment des Unternehmensteams kann beeindrucken und häufig entstehen durch Volunteering-Aktionen langjährige Kontakte zwischen NGOs, Unternehmen und deren Mitarbeitern.

Im Jahr 2020 hat die Corona-Pandemie im Corporate Volunteering für einen Stillstand gesorgt -bis die Einrichtungen kreativ und die Unternehmen mutiger wurden.

„Was passiert ist, das ist dass die Unternehmen und auch die Einrichtungen mehr digitale Formate miteinander entwickelt haben. Und da haben wir festgestellt, dass da tatsächlich viel Kompetenz auf Seiten der Unternehmen auch da ist, dass sie gerne weitergeben und dass von den Einrichtungen sehr gebraucht wird“.

Zugleich weit Volk darauf hin, dass die Entwicklung eines digitalen Projektes ein aufwändiges Unterfangen darstellt. Die Suche nach einer kooperationsbereiten und mit den technischen Voraussetzungen versehenen Einrichtung und das Briefing der Mitarbeiter erfordern viel Zeit.

Biogen: Engagement wird digital

Stephanie Kmitt ist Senior PR-Managerin beim Biotechnologie-Unternehmen Biogen und hat dort miterlebt, wie bisherige Engagement-Felder ihres Unternehmens durch die Corona-Pandemie unzugänglich wurden. Ein virtuelles Engagement erschien bei Biogen zunächst unpassend: Wie kann man sich für Menschen engagieren, die man nicht sieht? Doch kamen bei einem Brainstorming unter Mitarbeitern viele Ideen für ein digitales Volunteering zusammen, die das Unternehmen dann umgesetzt hat.


Das ganze Interview mit Stephanie Kmitt (Biogen)

„Wir haben zum Beispiel für den Verein Nestwärme e.V. Geschichten für Kinder vorgelesen, Gute-Nacht-Geschichten. Das ist ein Verein, der unterstützt Eltern von behinderten und schwer kranken Kindern. Und um denen mal eine Auszeit zu ermöglichen, haben wir Kindergeschichten vorgelesen. Dann können die Eltern ihren Kindern diese Geschichten anmachen und haben mal eine Viertelstunde Zeit für Spülmaschine ausräumen oder was auch immer.“

Das Einlesen von Geschichten für ein Seniorenzentrum, ein Bewerbungstraining für junge Geflüchtete und eine Excel-Schulung für Mitarbeiter der Jugendhilfe waren weitere Engagement-Ideen, die Biogen-Mitarbeiter umgesetzt haben.

Nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch das Unternehmen selbst ist dieses Engagement wertvoll.

„Erstens gibt es uns die Möglichkeit, uns mal in einem ganz anderen Setting untereinander kennenzulernen, als wir das gewohnt sind -über alle Abteilungen hinweg, über alle Hierarchie-Ebenen hinweg. Aber wir lernen dabei auch sehr viel: Wir haben immer ja einen sehr kurzen Fokus in unserer Arbeit. Wir planen oft vierteljährlich. In sozialen Einrichtungen gibt es einen ganz anderen Horizont.“

Das Ziel sozialer Organisationen, Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, erfordert oft einen Horizont von Jahrzehnten.

Stefan Schneider ist Director Corporate Affairs bei Biogen und ordnet das Corporate Voluteering in das umfassendere gesellschaftliche Engagement seines Unternehmens ein. Biogen versteht sich als Pionier der Neurowissenschaften mit einer Vision für eine bessere Zukunft der Menschen. Die Biogen Stiftung hat sich besonders der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verpflichtet. Klimaschutz und das Engagement gegen Luftverschmutzung bilden weitere wichtige Bereich. Das Bildungsengagement kommt auch Grundschülern in München zugute.


Das ganze Interview mit Stefan Schneider (Biogen)

„Wir haben in unserem Mutterhaus in Cambridge Laboratorien für Schulen, wo Schüler sich engagieren können. Und dieses Konzept haben wir auch nach Deutschland übertragen. Wir arbeiten seit über fünf Jahren mit einem lokalen Verein zusammen, Science Lab, die in Grundschulen die wissenschaftliche Früherziehung dort fördern.“

Zurzeit überlegt Biogen, die wissenschaftliche Früherziehung auf das Thema Klimaschutz auszudehnen.

Bertelsmann Stiftung: Orientierung für die Themenwahl

Wie hängen nun Nachhaltigkeitsengagement und regionales Engagement zusammen? Christian Schilcher, Projekt-Manager im Programm ‚Unternehmen in der Gesellschaft‘ der Bertelsmann Stiftung, verweist darauf, dass regionales Unternehmensengagement eine lange Geschichte besitzt, während Nachhaltigkeitsengagement eher jünger und zugleich umfassender ist.


Das ganze Interview mit Dr. Christian Schilcher (Bertelsmann Stiftung)

„Nachhaltigkeitsmanagement stellt Fragen, die von der Ökologie über die Ökonomie bis hin zum Sozialen reichen. Und natürlich kann regionales Engagement im Kontext von Nachhaltigkeit im Unternehmen seinen Platz finden und verankert werden. Allerdings, meiner Einschätzung nach gibt es erst noch eine relativ kleine Gruppe von vorbildlichen Unternehmen, die es geschafft haben, regionales Engagement in ein Nachhaltigkeitsengagement einzubetten.“

Strategische Fragen spielen zumindest dann eine Rolle, wenn Unternehmen überlegen, zu welchen regionalen Herausforderungen sie sich engagieren wollen. Schilcher schlägt dazu eine Orientierung an drei Fragen vor:

„Erstens: Passt das Engagement zur Region? Zweitens: Passt das Engagement zum Unternehmen? Und drittens: Passt das Engagement zum Engagement der anderen?“

Zur letzten Frage konkretisiert der Manager der Bertelsmann Stiftung:

„Wenn man weiß, was andere Akteure vor Ort tun, kann man entscheiden, ob man bei einer Initiative mitmachen will, um dort dann gemeinsam mehr Wirkung zu erzielen. Oder man entscheidet sich bewusst, in eine Lücke zu gehen, weil hier noch keiner engagiert ist.“

Die Bertelsmann Stiftung hat mit der Plattform „regional-engagiert.de“ eine Möglichkeit geschaffen, regionales Engagement von Unternehmen sichtbar zu machen –  Engagement in Großstädten ebenso wie in ländlichen Regionen.

Prof. Lütge: Unternehmen sollen sich am Diskurs beteiligen

Professor Christoph Lütge lehrt Wirtschaftsethik am Peter Löscher-Stiftungslehrstuhl der TU München. Das Engagement für die Region und das Land, für Zulieferer und Stakeholder praktizieren viele Unternehmen seit Jahrzehnten, sagt Lütge.

„Aus ethischer Sicht kann man das daher begründen, dass Unternehmen auch mittlerweile viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit stehen als früher. Dass sie viel mehr darauf angewiesen sind, dass ihre Reputation gut bleibt. Sie wollen vermeiden, dass es hier zu größeren Einbrüchen kommt – wie zum Beispiel durch einen Diesel-Gate oder andere Skandale – und dadurch auch sich proaktiv an die Öffentlichkeit wenden und mit auch mit regionalen Stakeholdern z.B. zusammenarbeiten.“


Das ganze Interview mit Prof. Dr. Christoph Lütge (TU München)

Ethik und Gewinn sind keine Gegensätze, sondern können als die zwei Seiten einer Medaille gesehen werden, so Lütge. Zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen gehören auch andere Engagement-Formen als das Volunteering – und da sieht Lüdtke in Deutschland Nachholbedarf.

„Für mich zählt auch mittlerweile dazu, dass Unternehmen sich auch am Diskurs beteiligen, am gesellschaftlichen Diskurs. Das ist etwas, was gerade in Deutschland – finde ich – noch ein bisschen unterentwickelt ist. Als am Diskurs über die Grundlagen unserer Gesellschaft sich zu engagieren, zusammen mit den anderen Akteuren, die in der Gesellschaft da sind – mit der Zivilgesellschaft und anderen. Und ich glaube: da haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf.“

Unternehmen in Deutschland sind konfliktscheuer als anderswo und der Auffassung, Konflikte seien von der Politik zu lösen. Allerdings beobachtet Lütge in der letzten Zeit einen Wandel.

Beobachtet hat der Wirtschaftsethiker, dass die intensivere Beschäftigung mit Wirtschaftsethik in Unternehmen nach einem Skandal einsetzt.

„Ethik gewinnt immer an Bedeutung, wenn man auch mal Skandale gehabt hat. In einer Schönwettersituation kommt meistens die Ethik nicht so zum Tragen.“

Bayern LB: Engagement strategisch verankern

Bei der Bayerischen Landesbank fällt die systematische Verankerung von Corporate Volunteering in die Zeit nach der Finanzkrise. Walter Prem ist als Direktor im Corporate Center der Bank für das gesellschaftliche Engagement verantwortlich.


Das ganze Interview mit Dr. Walter Prem (Bayern LB)

„Wir haben im Nachgang zur Finanzkrise viele Dinge neu ordnen müssen, unter anderem auch die aufsichtsrechtlichen Bedingungen besser einzuhalten. Deswegen wurde die Compliance im Haus neu strukturiert. Und im Rahmen dieser Neustrukturierung haben wir dann auch einen Bereich Corporate Volunteering aufgebaut – mit dem Ziel, unseren Mitarbeitern zwei Arbeitstage im Jahr zur Verfügung zu stellen, um soziale Aktionen und Organisationen zu unterstützen.“

Von den etwa 3.000 Mitarbeitern am Standort München nehmen jährlich im Durchschnitt zehn Prozent an diesem Programm teil. Für die Bayerische Landesbank liegt die Bedeutung des Corporate Volunteering in der Innenperspektive im Aufbau von Identität, Motivation und im Teambuilding. Zugleich besitzt das Engagement bei der Personalakquise Bedeutung.

„Weiterhin haben wir festgestellt bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter, dass diese Dinge inzwischen von einem Arbeitgeber unbedingt verlangt werden. Im Sinne des sozialen Engagements möchten also junge Menschen eigentlich nur noch bei Unternehmen arbeiten, die hier sichtbar sind und sichtbare und gute Möglichkeiten bieten, an solchen Programmen teilzunehmen.“

Das Corporate Volunteering der Bayerischen Landesbank ist dabei breit aufgestellt und orientiert sich weitgehend an den Interessen der Mitarbeitenden. Ein Engagement in Sekten oder politische Parteien untersagen die Richtlinien. Die Engagement-Themen haben im Verlauf der zurückliegenden zehn Jahre Veränderungen erlebt.

„Unser Hauptziel lag immer in der Jugend- und Bildungshilfe, geht aber jetzt auch langsam über – der demografischen Entwicklung geschuldet – auch in den Bereich der älteren Mitbürger.“

Dabei erweitert Corporate Volunteering mitunter den Blick auf das eigene Leben und die persönliche gesellschaftliche Verantwortung:

„Besonders im Gedächtnis ist mir geblieben der Einsatz einer Organisationseinheit hier aus dem Haus in der Landesschule für Körperbehinderte, wo also nun Kinder unterrichtet werden, die mehrfach körperbehindert sind, die zum Teil auch eine Eins-zu-Eins-Betreuung im Unterricht haben. Hier wurden also die Mitarbeiter einzelnen Schülern zugeteilt und das war für sie unglaublich bewegend – also einfach nur zu sehen, wie viel Glück man selber hat und wie viel Pech andere haben können und dass wir auch die gesellschaftliche oder die individuelle Verpflichtung auch haben, hier zu helfen.“

Corporate Volunteering-Programme organisiert die Bayerische Landesbank in Verbindung mit dem Sozialreferat der Stadt München selbständig. Und sie ist Gründungsmitglied eines Zusammenschlusses Münchener Unternehmen, die gemeinsam Probleme in der Stadt konzentrierter lösen wollen.

IHK München gründet Ausschuss für Unternehmensverantwortung

Eine Besonderheit der Region ist das starke Engagement der IHK für München und Oberbayern zu Verantwortungsthemen. Gertrud Oswald leitet die CSR-Abteilung der Kammer und beobachtet ein deutlich zunehmendes gesellschaftliches Engagement unter ihren Mitgliedsunternehmen, wobei das Umweltengagement und Corporate Volunteering-Programme häufig den Einstieg bilden. Auch gesellschaftliche Strömungen wie Friday for Future oder politische Regulierungen seien Trigger für das gesellschaftliche Engagement der Firmen. Das Unternehmensengagement wird zunehmend strategisch ausgerichtet. Dabei sind nicht nur die großen Unternehmen wichtige Akteure.


Das ganze Interview mit Gertrud Oswald (IHK für München und Oberbayern)

„Was uns in München besonders freut ist, dass wir da auch eine sehr starke Startup-Szene haben, die sich natürlich auch insbesondere gesellschaftlichen Herausforderungen annimmt, versucht eben auch, durch eine solche Gründung bestimmte Dinge anzugehen.“

So hat ein Startup für die vielen Umzüge innerhalb Münchens Kunststoffboxen aus recyceltem Material auf den Markt gebracht, die nicht verkauft, sondern vermietet werden. Und auch größere Unternehmen stellen sich gesellschaftlichen Herausforderungen und beteiligen sich bei der Suche nach Lösungen. Die IHK unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen mit Informationen in ihrem gesellschaftlichen Engagement und kooperiert mit Pilotunternehmen.

Für besonders wichtig hält Oswald die Vernetzung engagierter Unternehmen.

„Wir haben vor zwei Jahren einen IHK-Ausschuss, einen neuen, gegründet, einen Ausschuss ‚Unternehmensverantwortung‘, der einzige in Deutschland. Und da haben wir auch versucht, die unterschiedlichsten Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit zusammenzuführen -die jetzt nicht alle schon bis ins letzte CSR durchdekliniert haben, sondern vielleicht auch erst in den Anfängen waren und an größeren Unternehmen, die da vielleicht ein Stück weiter waren. Da wollen wir eben auch versuchen, der verantwortungsbewussten Wirtschaft im gesellschaftlichen und politischen Diskurs auch eine Stimme zu geben“

In dem Ausschuss können Unternehmen im Erfahrungsaustausch voneinander lernen. Das wurde in vielen Gesprächen unserer Recherche in München deutlich: Im Austausch zwischen den Unternehmen entstehen neue Impulse für das gesellschaftliche Engagement und im Dialog zwischen Unternehmen und NGOs neue Sichtweisen auf die Gesellschaft, die Arbeit und – für manchen Mitarbeitenden- auf das eigene Leben.

 


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