Welche Nachhaltigkeitsherausforderungen stellen sich in der Lieferkette eines Automobilkonzerns? Und wo können digitale Technologien unterstützen? Das CSR MAGAZIN sprach darüber mit Marco Philippi, Leiter Strategie Beschaffung bei der Volkswagen AG. Das Gespräch führte Achim Halfmann.
CSR MAGAZIN: VW, Audi, Porsche …: Sind nachhaltige Lieferketten eine gemeinsame Aufgabe im Volkswagen-Konzern oder arbeitet jede Marke für sich?
Marco Philippi: Das hängt an den konkreten Produkten. Manches wird gemeinsam beschafft, manches für eine Marke. Um die Nachhaltigkeit in den Lieferketten kümmere ich mich gemeinsam mit meinen Markenkollegen.
Lieferketten sind komplex, es gibt Lieferanten und Unterlieferanten. Wie tief dringen Sie in ihre Lieferketten ein, wenn es um Nachhaltigkeitsherausforderungen geht?
Die Tiefe der Lieferkette ist die eine Herausforderung. Zwischen der Gewinnung der Rohstoffe und dem Verbau fertiger Elemente liegen zahlreiche Stufen. Neben der Tiefe gilt es die Breite einer Lieferkette zu beachten. So kann es auf einer Stufe beispielsweise verschiedene Zwischenhändler geben.
Wir setzen Schwerpunkte: Gemeinsam mit anderen Automobilherstellern haben wir in der Initiative „Drive Sustainability“ eine Studie beauftragt und daraus 16 in unseren Fahrzeugen verbaute Rohstoffe identifiziert, bei denen wir die höchsten Nachhaltigkeitsrisiken sehen und wo wir ganz in die Tiefe gehen. Die Nachhaltigkeitsrisiken sind im ersten Drittel der Lieferkette am größten. Deshalb ist es unser Ziel, bis ganz an die Quelle zu kommen. Für jeden dieser Rohstoffe haben wir eine Roadmap hinterlegt. Und dann wollen wir die Regionen und deren Risiken gut kennen, aus denen unsere Rohstoffe kommen.
Gemeinsame Initiativen in einer Branche bieten also eine Chance, Nachhaltigkeit in der Lieferkette voranzubringen?
„Drive Sustainability“ ist eine Initiative unter dem Dach von CSR Europe und die Lieferketten sind dort ein Thema. Wir fragen uns etwa, ob Nachhaltigkeits-Fragebögen abgestimmt und Audit-Standards harmonisiert werden können. Denn es nützt niemandem, wenn ein Lieferant für jeden Hersteller andere Fragebögen ausfüllen und neue Audits durchlaufen muss. Das standardisieren des Fragebogens haben wir bereits geschafft.
Noch differenzierter müssen wir darüber reden, was gemeinsame nachhaltige Basis ist und ab welchem Punkt Nachhaltigkeitsengagement wettbewerbsdifferenzierend wird. Da sind wir mitten drin.
Und natürlich setzt das Kartellrecht der Zusammenarbeit Grenzen.
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Warum stellt sie gerade die Frage danach, unter welchen Bedingungen Rohstoffe gewonnen werden, vor so große Herausforderungen?
Rohstoffe sind nicht gleich Rohstoffe. Nehmen Sie etwa das Lithium. Es kommt häufig aus Südamerika, manchmal aber aus Australien. Häufig wird es durch die Verdunstung aus Salzwasser gewonnen, teilweise aber auch im offenen Tagebau abgebaut. Die Nachhaltigkeitsherausforderungen sind dabei jeweils sehr verschieden.
Oder nehmen Sie das Kobalt. Die größten Förderstätten liegen im Kongo, das aufgrund der Menschenrechtssituation als kritisches Herkunftsland gilt. Aber Kobalt wird auch in China, Kanada und Russland gewonnen. Eine Technologie, mit der sich die Herkunft des Minerals im Zustand, wie es bei uns ankommt, sicher identifizieren lässt, gibt es nicht.
Hinzu kommt: An zentralen Punkten des Handels gibt es Schmelzen, und da läuft alles aus vielen Quellen in einen großen Topf.
Wir versuchen daher, mit einer gesamtbilanziellen Betrachtung der Situation gerecht zu werden. Dabei fragen wir uns: Wieviel des Minerals wird in welcher Mine erzeugt? Und wie viel wird insgesamt verwendet?
Wo kommen beim nachhaltigen Lieferkettenmanagement digitale Technologien ins Spiel?
Nehmen Sie um Beispiel die Blockchain. Dieses Verfahren hilft uns bei der eben beschriebenen Bilanzbetrachtung der Lieferketten. Einerseits ermöglicht dieses Verfahren den Unternehmen, ihre Liefermengen zu benennen, ohne dabei den Lieferanten preiszugeben. Und andererseits stellen Blockchains sicher, dass Daten unverfälscht bleiben und von vielen genutzt werden können.
Bei den Lieferantenaudits spielen digitale Plattformen eine Rolle. Dort werden Fragebögen zusammen mit Belegdokumenten hochgeladen und dann von externen Dienstleistern validiert. Mit einem chinesischen Tütensuppenrezept als Compliance-Policy kommen sie nicht durch.
Oder nehmen Sie das Thema Beschwerdemechanismus. Kaum ein Unternehmen wird eine Selbstanzeige machen, wenn es Probleme in der Produktion gibt. Ein Beschwerdemechanismus ermöglicht es Arbeitnehmern, sich via Smartphone über die Zustände an ihrem Arbeitsplatz zu äußern. Dabei muss natürlich sichergestellt werden, dass es nicht zu bloßen Revanchehandlungen kommt – 10 Mitarbeiter melden Kinderarbeit, weil sie sich an ihrem Vorgesetzten rächen wollen – oder zu Wettbewerbsverzerrungen. Und dann braucht es einen intelligenten Alert, der uns solche Veränderungen in der Lieferkette anzeigt.
Nicht zuletzt erleichtern digitale Technologien kollaborative Szenarien im Lieferkettenmanagement. Viele Fragen sind dabei noch offen: Wie könnte ein Gesamtmodell aussehen? Wäre eine gemeinsame Plattform sinnvoll – vielleicht durch eine Stiftung getragen? Und wie könnte die Bereitstellung von Daten incentiviert werden?
Ich bin gespannt, wie solche Mechanismen einmal aussehen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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