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PR und Greenwashing: Wie wahr ist die Wahrheit?

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Ob PR-Berater zu Handlangern oder Verhinderern von Greenwashing werden, hängt einerseits von ihrer Expertise und andererseits von ihrem Selbstverständnis ab.

Kodizes und Richtlinien, die ethische Grundsätze wie Transparenz, Integrität, Fairness und Wahrhaftigkeit zum Branchenstandard erheben, werden dabei aus Unerfahrenheit oder Opportunismus ausgesetzt.

Von Tong-Jin Smith

Als Konsumenten sind wir es gewohnt, dass Produkte des täglichen Lebens als besonders nachhaltig, gesund oder umweltverträglich vermarktet werden. Das passt. Denn mindestens  87 Prozent von uns wollen laut einer McKinsey-Studie mit gutem Gewissen konsumieren. Im Supermarkt greifen wir daher am liebsten zur grün verpackten Bio-Milch und zum angeblich gesünderen Hackfleisch mit 30 Prozent weniger Cholesterin. Als Beitrag zur Energiewende investieren wir über unsere monatliche Stromrechnung in Offshore-Windkraftanlagen oder in Wasserkraft aus Norwegen. Und beim Autokauf entscheiden wir uns für das sparsame Öko-Auto und kaufen gleich die passenden „grünen“ Reifen dazu, die laut Hersteller den Benzinverbrauch reduzieren.

Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sind längst im gesellschaftlichen Mainstream angekommen. „Grüne“ Produkte erzielen außerdem höhere Preise und sind weniger anfällig für Absatzschwankungen. Und das wissen die Hersteller. Daher nutzen sie nicht nur entsprechende Verpackungen und Attribute wie gesund, natürlich, biologisch oder CO2-neutral, um Konsumenten zu überzeugen, sondern auch das Cause Related Marketing (CrM). Dabei kommt vom Kaufpreis eines Produkts ein Teil einem guten Zweck oder einer Organisation zugute. „Produkte werden so mit einer zusätzlichen Qualität angereichert, durch die sie sich von denen der Mitbewerber abheben“, erklärt Frank Brodmerkel, Inhaber der Agentur Grüne Welle Kommunikation, im PR-Journal. „Solche Appelle an das soziale oder ökologische Gewissen der Kunden kurbeln zudem den Absatz an, denn sie geben den Käufern das Gefühl, mit dem Kauf etwas Gutes zu tun. Doch die Grenze zum Greenwashing ist fließend, wenn nicht auf bestimmte Kriterien geachtet wird.“

Glaubhaft kommunizieren ohne Greenwashing

Eines der ersten deutschen Unternehmen, das CrM für sich entdeckte, war 2002 die Brauerei Krombacher. In einer breit angelegten Kampagne garantierte sie, dass pro verkauftem Bierkasten ein Quadratmeter Regenwald geschützt würde. Als aber schnell klar wurde, dass mit den knapp sieben Cent pro Kasten mitnichten ein Quadratmeter Regenwald geschützt werden konnte, und obendrein eine Klage wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts drohte, schwenkte Krombacher 2003 um, gründete gemeinsam mit dem WWF eine Stiftung zum Schutz des Regenwalds und stampfte den Claim „1 Kasten = 1 qm“ ein. Fast war die Brauerei damit vom Vorwurf des Greenwashings befreit, wäre da nicht die Pressemitteilung vom Mai 2012, die die „einfache Formel“ von damals als „vollen Erfolg“ feiert. Auch rühmt sich die Brauerei, heute eine Fläche von rund 9.700 Hektar zu schützen, was 97 Quadratkilometern entspricht. Zum Vergleich: der Berliner Bezirk Pankow ist 103 Quadratkilometer groß. Kritisch betrachtet setzt sich Krombacher zwar für den Umweltschutz ein, färbt dabei aber das Engagement schön.

„Als Unternehmen nachhaltig zu handeln ist heute unabdingbar“, erläutert Brodmerkel. „Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung haben sich von bloßen Image- zu harten Marktfaktoren gewandelt.“ Nachhaltigkeit spiele dabei für sämtliche Interessengruppen eine zentrale Rolle, seien es Verbraucher, Investoren, Medien oder Gesetzgeber. Und so sei es vollkommen legitim, sich dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ zu verschreiben. Nur sollten Verbraucher nicht über den tatsächlichen Stellenwert nachhaltiger, ethischer oder ökologischer Prinzipien in der Unternehmensstrategie getäuscht werden. „Die Kunst besteht darin, nachhaltige Unternehmensaktivitäten glaubhaft zu kommunizieren, ohne ins Greenwashing abzugleiten“, so Brodmerkel. Und genau hier sind PR-Berater gefragt.

Keine Leerfloskeln, keine Versprechungen

„Wir sind extrem zurückhaltend bei CSR-bezogenen Claims in Verbindung mit Produkten oder in der Verbraucherkommunikation“, sagt Achim Drewes, Public Affairs Manager von Nestlé Deutschland. „Eine sehr restriktive interne Policy legt Prozesse und Anforderungen für derartige Marketing-Claims fest.“ Leerfloskeln wie „nachhaltig“, „umweltfreundlich“ oder „klimaneutral“ finde man daher nicht bei Nestlé.

Seine Rolle als Unternehmenssprecher sieht Drewes denn auch als Berater für die Produktbereiche und als Unterstützer in der Lösungsfindung für konkrete, CSR-bezogene Fragestellungen. „Das passiert im Dialog mit NGOs, bei der Gestaltung von Maßnahmenplänen, bei der Lösung von möglichen CSR-Issues und nicht zuletzt bei der Beantwortung von Fragen, die Verbraucher oder Journalisten hierzu an uns richten“, erklärt er. „Für mich ist es aber wichtig, dass wir für den Dialog gerade mit kritischen Akteuren offen sind, der sich für beide Seiten lohnt.“ Häufig würden dabei einfache, plakative Antworten erwartet. Umso überraschter sei man, wenn er dann mit Hinweisen zu eher komplexen Programmen und Maßnahmen antwortet. „Dies ist nicht immer befriedigend, dient aus unserer Sicht aber eher der Sache als das Vorspiegeln einer heilen Welt oder Versprechungen für irgendwann in der Zukunft, deren Einhaltung niemand garantieren oder prüfen kann“, so Drewes.

Greenwashing lohnt sich nicht

Dass die Umstellung eines ganzen Unternehmens auf eine nachhaltige Strategie und die Umsetzung aller CSR-Maßnahmen Zeit in Anspruch nimmt, wird niemand bestreiten. Aber es wird dann zum Greenwashing, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass alle Ziele schon erreicht wurden, obwohl die Prozesse gerade erst in Gang gekommen sind, oder wenn mit einem einzelnen Produkt das Image aufpoliert wird, während das Kerngeschäft weiterhin wenig nachhaltig ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die vollmundige Ankündigung von Eon aus dem Jahr 2008 auf der Website des Unternehmens. Demnach plante man ein Gezeitenkraftwerk, womit „zum ersten Mal eine signifikante Menge Strom aus einem Gezeitenkraftwerk in das Stromnetz eingespeist“ werden könne. Dabei ist die Technologie noch gar nicht so weit. Ein anderes Beispiel, wo Marketing und PR eine Schlüsselrolle spielten, stammt ebenfalls aus der Energiebranche aus dem Jahr 2009, als RWE versuchte, sich als „grünen Riesen“ darzustellen. Dabei ist der Energiekonzern laut Greenpeace der größte CO2-Emittent Europas und bläst jährlich 150 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. „Was RWE mit seinem Imagespot treibt, grenzt an Volksverdummung“, sagte damals Andree Böhling, Energieexperte bei Greenpeace.

Dass sich solche Greenwashing-Kampagnen nicht lohnen, zeigten die prompten Enthüllungen durch Greenpeace, Foodwatch, Bankwatch, Oekom oder andere NGOs. Im Gegenteil, sie schädigen das Image eines Unternehmens langfristig, ebenso wie Nachhaltigkeitsberichte, die reine Schönfärberei sind. „Viele PR-Agenturen stecken aber einfach nicht in der Materie“, sagt Klaus Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender bei Kirchhoff Consult und Experte in Sachen CSR-Kommunikation. „Sie kommunizieren einfach das, was die Unternehmensführung haben will, ohne zu hinterfragen, und werden so zu Handlangern von Greenwashing. Ganz nach dem Motto: Wir brauchen einen CSR-Bericht, also schreiben wir alles schön.“

Spezialisten für echte CSR-Kommunikation

Gerade hier aber braucht es Spezialisten, die sich mit der Geschäftsleitung an einen Tisch setzen und gemeinsam eine CSR-Strategie entwickeln. „Es geht schließlich nicht darum, eine schöne Story zu veröffentlichen, sondern darum, durch nachweislich verantwortungsvolles Handeln Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen“, so Kirchhoff. Er habe daher auch schon Unternehmen davon abgeraten, ihren Nachhaltigkeitsbericht so zu nennen. Sie sollten ehrlicherweise lieber von „unserer Verantwortung“ sprechen und offen kommunizieren, dass sie jetzt anfangen, nachhaltig zu agieren. Einem weltweit tätigen DAX-Unternehmen hat er sogar dazu geraten, den ersten Nachhaltigkeitsbericht um ein Jahr zu verschieben, um erst mal an allen Standorten die Basis für die nötigen Daten zu schaffen. „Das ist dann ein Job, hinter dem ich stehen kann“, sagt Kirchhoff.

Aber das sehen längst nicht alle PR-Berater so. Sie können oder wollen mangels Expertise über den Anspruch, das Produkt so gut wie möglich aussehen zu lassen, nicht hinausgehen. „Um aber nicht zum Handlanger für Greenwashing zu werden, muss man anerkennen, dass CSR ein eigenes Tätigkeits- und Handlungsfeld ist, mit eigener Theorie, Grundsätzen und Praxisanforderungen, und ein Selbstverständnis haben, nicht nur Abwickler zu sein“, sagt Riccardo Wagner, Inhaber der Agentur Better Relations. „Bei uns gibt es keine isolierte CSR-Kommunikationsberatung ohne grundlegende CSR-Beratung und einer Abstimmung über die relevanten Inhalte und Motive einer ganzheitlichen CSR-Strategie, auch wenn das unsere Klientel als Spezialagentur einschränkt.“

Die totale Wahrheit gibt es nicht

Das ist auch bei Johanssen + Kretschmer so. „Greenwashing führt immer zu einem Glaubwürdigkeitsverlust“, sagt Geschäftsführer Heiko Kretschmer. „Alles, was gegen ethische Grundsätze verstößt, machen wir nicht.“ Wobei er erlebt, dass Greenwashing oft eine Frage von Unerfahrenheit ist. Andererseits habe aber jeder das Recht auf schlechte Kommunikation und müsse dafür die Konsequenzen tragen. Werden etwa Spin Doctors eingesetzt, um das eigene Tun wohlwollend zu interpretieren oder negative Informationen über einen Wettbewerber medial zu platzieren, was eine legitime Strategie sei, müssten dennoch ethische Grundsätze eingehalten werden. „Werden Geschichten dafür erfunden, steht am Ende der Auftraggeber ebenso in der Verantwortung wie der PR-Berater und der Journalist, die die Story verbreiten“, so Kretschmer.

Die Branche hat dafür entsprechende Richtlinien und Kodizes zur Selbstregulierung. Aber die Realität sieht anders aus, meint Marcus Johst, Nachrichtenmanager in Krisenfällen. „Die Leute wollen doch eine gute Story, etwas Positives. Der Boom auf dem CSR-Markt wird genau aus diesem Bedürfnis heraus genährt. Und wo Geld damit zu verdienen ist, wird Geld verdient. Denn wenn die Substanz glaubwürdig ist und man verhindern kann, dass der Schuss nach hinten losgeht, wird beschönigt. Etwas wie die totale Wahrheit gibt es in der PR nicht.“

Autorin: Dr. Tong-Jin Smith
Der Beitrag erschien zuerst im CSR MAGAZIN Nr. 8 (4/2012)
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