Berlin (csr-news) > Kompetente Führung wird für Unternehmen zunehmend zum entscheidenden, erfolgskritischen Faktor. Vielleicht nicht neu und neu ist auch nicht ein sich wandelndes Verständnis von Führungskultur. Dennoch spricht die Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) von einem Paradigmenwechsel in der Debatte um die Führungskultur in zukunfsfähigen Unternehmen. Für ein Stimmungsbild haben 400 Führungskräfte unterschiedlicher Branchen und Hierarchieebenen ihre Meinung geäußert.
Die große Mehrheit der befragten Führungskräfte ist der Überzeugung, dass sich die Führungspraxis in Deutschland deutlich andern muss, damit Unternehmen fit für die Zukunft sind oder werden. Doch was genau soll sich ändern? Immerhin mehr als drei Viertel aller Befragten wünschen sich einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur. Sie erteilen traditionellen Führungskonzepten mit einem hierarchisch steuernden Management und einer vorrangigen Renditefixierung mehrheitlich eine Absage. Für sie bedeutet Führung vor allem Prozesskompetenz, Kooperationsfähigkeit, die Organisation in Netzwerkstrukturen, Flexibilität und Wertschätzung. Bei der Vorstellung der Ergebnisse sprach Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vom enormen Handlungsdruck, den Führungskräfte heute angesichts der zukünftigen Herausforderungen empfinden. Gleichzeitig belegt die Studie aber auch eine große Veränderungsbereitschaft. Nahels: “Dies ist ein positives Signal. Wer, wenn nicht die Führungskräfte selbst, kann die Entwicklung vorantreiben.”
Quelle: INQA-Studie ‘Gute Führung’
Zehn Kernaussagen ‘guter Führung’ werden in der Studie benannt. Dabei gelten Flexibilität und Diversität als weitgehend akzeptierte Erfolgsfaktoren. Wechselnde Teams und individuelle Zeiteinteilung sind aus Sicht der Führungskräfte oftmals umgesetzt und bestimmen die betriebliche Realität. Das Ziel ist jedoch weiter gesteckt, da sind sich alle Befragten einig. Die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse sehen sie als zukünftige Schlüsselqualifikation an. Denn um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen scheinen netzwerkartige, sich selbst organisierende Strukturen am besten geeignet. Eine klare Absage dagegen an hierarchische Führungsstrukturen. In diesem Punkt stimmen die meisten Führungskräfte überein. Die klassische Linienstruktur wird sogar zum Gegenentwurf ,guter Führung’ stilisiert. Über die Hälfte der interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass traditionelle Wettbewerbsstrategien die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben und das Prinzip Kooperation weiter an Bedeutung gewinnt. Nur noch 29,25 Prozent der Führungskräfte präferieren ein effizienzorientiertes und auf die Maximierung von Profiten ausgerichtetes Management als ihr persönliches Idealmodell von Führung. Damit schwindet aber auch der Schonraum hierarchischer Strukturen, die Durchsetzung eigener Vorstellungen und Anweisungen werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. “Mächtig ist nur was auf Resonanz trifft”, heißt es in der Studie. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Mit Auswirkungen auf die Mitarbeiter. Die Führungskräfte gehen davon aus, dass die motivierende Wirkung von Gehalt und anderen materiellen Anreizen tendenziell abnimmt. Persönliches Engagement wird mehr mit Wertschätzung, Entscheidungsfreiräumen und Eigenverantwortung assoziiert. Autonomie werde wichtiger als Statussymbole und der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit bestimme den Grad der Einsatzbereitschaft. Zudem rücken gesellschaftliche Themen in den Fokus. In der intuitiven Schwerpunktsetzung der Führungskräfte nimmt die Stakeholder-Perspektive des Ausgleichs der Ansprüche und Interessen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen wachsenden Raum ein. Über 15 Prozent aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext beschäftigen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Solidarität und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.
Insgesamt sehen viele der 400 interviewten Führungskräfte die Führungspraxis in Deutschland in großer Distanz zu den sich tatsächlich durch den Wandel der Arbeitswelt ergebenden Führungsanforderungen. Trotz der im europäischen Vergleich guten Wirtschaftslage sehen die Führungskräfte die Kriterien, die ihnen im Kontext „guter Führung“ wichtig sind, nicht einmal zur Hälfte verwirklicht. Sie kritisieren eine seit Jahren bestehende Fehlentwicklung der Führungskultur. Die Situation sei mit einem anfahrenden Zug vergleichbar: Die Gefahr, den Anschluss zu verpassen, nehme kontinuierlich zu