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Urwaldholz in deutschen Kinderbüchern –WWF-Studie rüttelt auf

Frankfurt am Main > Zahlreiche deutsche Kinderbücher bestehen aus Holz aus den „Lungen der Erde“. Das ist das Ergebnis der Untersuchung „Tropenwaldzerstörung für Kinderbücher – Eine Analyse des Buchmarktes in Deutschland”, die der WWF diesen Monat veröffentlichte. Knapp 40 Prozent der getesteten Bücher enthalten Tropenholz. Unter den Werken finden sich Titel von Verlagsgrößen wie Bertelsmann, Esslinger aus der Klett-Gruppe und Pattloch aus der Verlagsgruppe Droemer Knaur (Holtzbrinck und Weltbild). Das Problem beschränkt sich jedoch nicht auf Kinderbücher: Einzelne Stichproben bei Nicht-Kinderbüchern zeigen, dass zu ihrer Herstellung ebenfalls Bäume aus dem Regenwald verarbeitet wurden.

„Bücher aus Tropenholz-Raubbau tragen zum Artensterben und zum Klimawandel bei, da für ihre Herstellung Wälder zerstört werden, die Lebensraum zahlreicher Arten und gigantische Kohlenstoffspeicher zugleich sind”, erklärt die WWF-Waldexpertin Nina Griesshammer. Die in den Kinderbüchern nachgewiesenen Hölzer kommen fast ausschließlich in tropischen Natur- und Urwäldern vor und können daher nicht von Plantagen stammen.

Die Bekanntmachung der WWF-Studienergebnisse ging mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion vor dem Gelände der Buchmesse einher. Im Frankfurter Großstadtdschungel seilten sich Artisten unter dem Motto „Kein Kahlschlag für Kinderbücher“ vom Kastor-Hochhaus ab und machten gemeinsam mit dem WWF auf die Risiken und Herausforderungen im deutschen Buchmarkt aufmerksam.

Der globale Papierkonsum wächst seit Jahren kontinuierlich und hat sich seit 1960 vervierfacht. Etwa die Hälfte des weltweit kommerziell eingeschlagenen Holzes wird zu Papierprodukten verarbeitet. Mit fatalen Konsequenzen: 20 % der globalen Treibhausgasemissionen entfallen auf die Zerstörung und Degradierung von Wäldern.

Hergestellt wird das Buchpapier vor allem in Asien: Knapp 17 % des weltweit gehandelten Zellstoffs wird nach China exportiert und dort weiterverarbeitet. Deshalb untersuchte der WWF in seiner Studie Kinderbücher „Made in China“. Die Ressourcen für die Bücher stammen aus den waldreichen Ländern des Ostens. Vor allem die Regenwaldzerstörung in Indonesien trägt global zur Klimaerwärmung bei. Aufgrund der Waldzerstörung hat Indonesien den dritthöchsten Kohlendioxidausstoß weltweit, nach den USA und China!

Angesichts der derzeitigen Zerstörung des Lebensraums von Tier- und Pflanzenarten, des Klimawandels und der Verletzung von Menschenrechten der lokalen Bevölkerung fordert der WWF die getesteten Verlage zu einer Selbstverpflichtung auf. Die Entwicklung der Papierindustrie hin zu mehr Nachhaltigkeit bei Ressourcenverbrauch und Rohstoffbeschaffung ist dringend notwendig. Für eine umwelt- und waldfreundliche Buchproduktion müssten Verlage möglichst Recycling- oder FSC-zertifiziertes Papier und total chlorfrei gebleichte Produkte (TCF) verwenden.

Die Herstellung von Recyclingpapier verbraucht bis zu 65 Prozent weniger Energie und Wasser. Mit jeder Tonne Recyclingpapier anstelle von Frischfaserpapier lassen sich eine Tonne klimaschädlicher Treibhausgase, 17 Bäume und 46.000 Liter Wasser einsparen.

Für glaubwürdig zertifiziertes Frischfaserapier im Sinne einer verantwortungsvollen Waldbewirtschaftung erkennen der WWF und andere Umweltverbände nur das internationale Zertifikat FSC (Forest Stewardship Council) an. Für das zertifizierte Papier wird Holz aus nachhaltig bewirtschafteten, also wieder aufgeforsteten Wäldern verwendet. Doch Kritiker warfen dem FSC vor, die großindustrielle Holzwirtschaft in den noch verbleibenden Primärwäldern der Welt zu unterstützen und seine Gutachter nicht umfassend zu kontrollieren. Nina Griesshammer, WWF-Waldexpertin und Vorstandsmitglied in der Umweltkammer des FSC räumt ein, dass die Messlatte nach oben natürlich immer offen sei. Doch „das FSC-Siegel wird vom WWF uneingeschränkt empfohlen, denn es erfüllt die Nachhaltigkeitsanforderungen an Papier am besten. Außerdem hat die Organisation ihre Kontrollen durch unabhängige Dritte verbessert und die Ressourcen für Prüfer aufgestockt“.

Für Unternehmen und Verlage hat der WWF einen Leitfaden zum Papiereinkauf und den Fragebogen „Paper Scorecards“ entwickelt. Damit können die wichtigsten ökologischen Eckdaten von Papierprodukten von den Herstellern erfragt werden. Papierkäufer können auf diesem Wege den ökologischen Fußabdruck beurteilen und ihre Produktion auf Papiersorten mit der geringsten Umweltbelastung umstellen.

Die ersten Stellungnahmen der Verlage, in deren Büchern Tropenholz identifiziert wurde, fielen sehr divers aus. Während manche versichern, „dass alle Lieferanten weltweit dazu angehalten sind, die Papiere nur aus kontrollierten Quellen zu beziehen“, betonen andere ihre alternativen Zertifizierungen, verweisen auf Fremdproduktion des geprüften Buchtitels oder bekunden ihre Unterstützung für die Anliegen des WWF. „Es ist ein Umdenken im Buchmarkt zu verzeichnen, aber die Analyse der Kinderbücher zeigt, dass weitgehend Business as usual herrscht – und das kann so nicht weitergehen“, sagt Nina Griesshammer vom WWF. „Produktionsumstellung und Zertifizierung sind sicherlich nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen, aber grundsätzlich realisierbar.“

Als FSC-Vorreiter der deutschen Buchbranche wird die zu Bertelsmann gehörende Verlagsgruppe Random House Deutschland gehandelt. Sie verkauft pro Jahr rund 50 Millionen Taschenbücher und zusätzlich 15 Millionen Hardcoverbücher mit dem FSC-Logo. Auch Harry Potter verzaubert die Welt umweltfreundlich. Die Autorin Joanne K. Rowling setzte sich erfolgreich dafür ein, dass ihre Werke nur noch auf Recyclingpapier oder zertifiziertem Papier gedruckt werden – ohne Qualitätsverluste. Verlage und Autoren haben, wie dieses Fallbeispiel zeigt, durchaus die Marktmacht, die Papierindustrie zu beeinflussen und die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Druckpapiere einzuleiten. Bei der Produktion von Kinderbüchern sollte ein schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen selbstverständlich sein, damit große und kleine Leser sie auch in Zukunft nutzen können.

Die Untersuchung des WWF „Tropenwaldzerstörung für Kinderbücher. Eine Analyse des Buchmarktes in Deutschland“ im Internet:
http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf_neu/Tropenwaldzerstoerung_fuer_Kinderbuecher.pdf

Foto: Unter dem Motto „Kein Kahlschlag für Kinderbücher“ seilten sich Artisten in Orang-Utan Kostümen im Frankfurter Großstadtdschungel vom Kastor-Hochhaus ab (Stefan Streit / WWF)


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