Berlin > Bei der Versorgung Afrikas mit Medikamenten gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose setzen die G8 auf die Kooperation mit der Pharmaindustrie. Gemeinsam sollen umfassende HIV/AIDS-Präventionsprogramme und Behandlungsangebote umgesetzt, Gesundheitssysteme gestärkt, Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose eingedämmt und die Kindersterblichkeit verringert werden. Dazu fordern die Gipfelteilnehmer von der Industrie unter anderem einen erweiterten Zugang zu HIV-Medikamenten zu bezahlbaren Preisen, Unterstützung für die Einrichtung einer Produktionsstätte für HIV/AIDS-Pharmazeutika vor Ort und höhere Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Public Private Partnership kann nach Meinung der Politiker ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sein. Nun möchte man einwenden: Die Politik tut sich leicht, wenn sie für gute Absichten andere in die Pflicht nehmen kann. Wie regieren die „In-die-Pflicht-Genommenen“?
Das Unternehmen GlaxoSmithKline betrachtet die medikamentöse Versorgung der Menschen in Afrika als eine Herausforderung an die Kreativität. „Wo jahrelang klassische Ansätze zu wenig gefruchtet haben, muss es das Ziel sein, neue Ideen und Initiativen zu suchen und umzusetzen, um das sehr komplexe Thema der besseren medizinischen Versorgung von HIV-Patienten eines Tages befriedigend lösen zu können“, betont Florian Martius, Director Corporate Communications, gegenüber csr-news.net. GlaxoSmithKline gibt seine HIV-Produkte an Menschen in den ärmsten Ländern der Welt und Projekte, die vom Global Fund to Fight AIDS, Malaria and Tuberculosis bzw. dem US-Projekt PEPFAR unterstützt werden, zum Selbstkostenpreis ab. 2006 waren dies über 200 Millionen Tabletten. Zum Selbstkostenpreis abgegeben werden auch die neuen antiviralen Arzneimittel Kivexa und Telzir. Den sog. Schwellenländern („Middle-Income-Ländern“) werden Preise gewährt, die sich an auf deren ökonomischer Leistungsfähigkeit orientieren.
Die Vergabe von Lizenzen an Dritte hält GlaxoSmithKline „nicht für einen Königsweg“ und weist zugleich darauf hin, bisher bereits acht freiwillige Lizenzen an Arzneimittelhersteller vor allem in Afrika vergeben zu haben. Mit Public Private Partnerships hat das Unternehmen Erfahrungen gesammelt und auf diesem Weg das Malaria-Mittel Lapdap aus der Taufe gehoben. „Allerdings wissen wir auch, dass die Verfügbarkeit von Medikamenten allein kein Garant für Erfolg ist: In vielen Ländern fehlt die notwendige Infrastruktur, um eine Behandlung erfolgreich durchführen zu können“, so Florian Martius.
Auch die Bayer Schering Pharma verweist auf das, was bereits geschieht: Das Unternehmen engagiert sich beispielsweise in Public Private Partnerships in der Familienplanung, kooperiert mit der WHO beim Kampf gegen Chagas und Afrikanische Schlafkrankheit und arbeitet mit der Global TB Alliance an klinischen Studien zum Einsatz eines Medikaments im Kampf gegen Tuberkulose zusammen. Und Bayer Schering Pharma verspricht, seine Aktivitäten für einen leichteren Medikamentenzugang in ärmeren Ländern weiterhin ausbauen.
„Universal access, also Zugang zu Aidsmedikamenten für alle Bewohner Afrikas bis 2010, ist das gemeinsame Anliegen der G8-Staaten, internationaler Organisationen und der Pharmaindustrie. Für die Realisierung dieses anspruchsvollen Zieles hat der G8-Gipfel wichtige Impulse gesetzt. Sie werden auch unseren Unternehmen ermöglichen, dazu noch umfassender als bisher beizutragen“, kommentierte Dr. Dr. Andreas Barner, Vorsitzender des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), die Gipfelerklärung zu Afrika. Für die Pharmaindustrie seien Voraussagen über die benötigten Präparatemengen wichtig, um eine effizientere Produktionsplanung mit knapp kalkulierten Preisen zu ermöglichen. Abgeschafft wissen will der Pharmaverbandsvorsitzende die noch immer weit verbreiteten Einfuhrzölle und Steuern auf Medikamente. „Es ist wichtig, dass die Länder so den Boden für mehr internationale Hilfe unter Beteiligung unserer Unternehmen bereiten“, betont Barner in einer Verbandsstellungnahme.
Und auch der VFA verweist auf das, was bereits getan wird: die Accelerating Access Initiative (AAI). In der 2000 gegründeten Initiative versorgen die Originalhersteller Abbott, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Gilead Sciences, GlaxoSmithKline, Roche und Merck & Co. HIV-Infizierte in Entwicklungsländern mit Aids-Medikamenten zu „no profit, no loss“-Konditionen. Das sind mittlerweile über 800.000 Patienten, davon über 460.000 in Afrika. Damit ist es diese Initiative, die mehr als 40 Prozent aller in Entwicklungsländern behandelten Menschen den Zugang zu einer HIV-Therapie ermöglicht.
Das Beispiel AAI zeigt nach Auffassung des Pharmaverbandes auch, dass die Rolle von Patenten für den allgemeinen Zugang zur Aidstherapie falsch eingeschätzt wird. „Patente stehen dem Zugang für arme Patienten nicht im Wege, im Gegenteil: Gäbe es sie nicht, hätten die Unternehmen höchstwahrscheinlich gar keine Medikamente gegen HIV entwickeln können“, glaubt Barner.